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Marktforschung: dem Kunden auf der Spur

Die Meinungs- und Marktforschung hilft dabei, die Einstellungen potenzieller Kunden besser einschätzen zu können. Aber welche Erhebungsmethode ist für welche Fragestellung die richtige? Hermann Binkert, Chef des Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA, plädiert für den projektbezogenen Königsweg.

Texter: Hermann Binkert

Wir alle würden gerne in die Zukunft sehen können. Es ist aber ein schwieriges Unterfangen, Licht auf das zu werfen, was wir nicht sehen oder noch nicht wissen können. Zu prognostizieren kostet viel Energie – in Form von Berechnungen und geistigen Anstrengungen. Anders als Prognosen können hingegen Stimmungs- und Meinungsbilder leichter dargelegt werden. Sie bilden allerdings immer nur eine aktuelle Momentaufnahme des Klimas in der Bevölkerung ab. Die Bedeutsamkeit dieser Momentaufnahmen ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere für Markenbekanntheit oder -bewertung sind sie sehr wichtig, denn sonst könnten keine Vergleiche gezogen oder positive Entwicklungen beobachtet werden. Jeder Prognoseversuch scheitert ohne ein korrektes Bild des derzeitigen Stands.

Die Markt- und Meinungsforschung bringt ständig neue Methoden der Datenerhebung hervor, um die Einstellungen potenzieller Kunden besser einschätzen zu können. Mitunter versprechen sie, in die Zukunft schauen zu können. Diese neuen Methoden müssen aber nicht wirklich besser sein als „klassische“ Methoden, mit denen man die Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt mit verlässlichem Ergebnis betrachtet. Viel wesentlicher für erfolgreiche Forschung ist es, die Erhebungsmethoden präzise dem Erkenntnisinteresse anzupassen und mit der richtigen Auswahl der Methoden einen Königsweg für jedes einzelne Projekt zu finden.

Big Data, Eye-Tracking, Social Media Research – viele neue, wohlklingende englische Namen versprechen genauere und aussagekräftigere Ergebnisse. Blickt man aber unter die Oberfläche, könnte man glauben, dass – versteckt hinter einem frischen Schlagwort – das Rad immer wieder neu erfunden wird. Keine Frage: Viele dieser Methoden oder Tools sind hilfreiche Instrumente – je nachdem, welche Ziele man verfolgt. Oftmals sind sie aber nur kosmetische Ergänzungen zu bekannten und etablierten Vorgehensweisen. Setzt man die altbewährten Methoden sauber ein und kombiniert sie geschickt, erreicht man genauso gute Ergebnisse.

Die größte Herausforderung des Marktforschers ist es, gemeinsam mit dem Kunden für das jeweilige Projekt das Forschungsinteresse klar zu definieren und die besten Methoden auszuwählen. Der größtmögliche Erkenntnisgewinn und die profitable Auswahl einer oder mehrerer Erhebungsmethoden stehen dabei im Mittelpunkt.

Eine Methode oder ein bestimmtes Instrument aus der Vielzahl des Verfügbaren auszusuchen, ist dabei keine simple Angelegenheit. Meistens ist es ausreichend, auf die „klassischen“ Methoden zurückzugreifen und sie als stabiles, verlässliches Fundament einer Befragung zugrunde zu legen. Die Vor- und Nachteile dieser Methoden sind bekannt und ihre Wirksamkeit und Zuverlässigkeit wurde im Verlauf der Jahre immer wieder unter Beweis gestellt. Außerdem bieten sie eine gute Vergleichsgrundlage und sind auch für die Allgemeinheit relativ leicht verständlich. Ergänzend kann und sollte immer auch mit neuartigen Methoden oder Instrumenten gearbeitet werden. Um die „klassischen“ Methoden kommt man aber in der Regel nicht herum.

Überblick vs. Fokus

Quantitative Befragungen

Je nach Zielstellung eines Projektes gibt es verschiedene methodische Grundlagen, die man beachten muss. Als erstes stellt sich immer die Frage, was man erfahren möchte. Dabei gilt generell: die erwünschte Art der Daten bestimmt die Weise der Erhebung. Wenn man vorhandene Kenntnisse überprüfen und messen will und Aussagen quantifizieren möchte, muss man eine quantitative Befragung durchführen. Bezeichnend für quantitative Umfragen sind große Stichproben, die häufig in Form von Online-Befragungen oder telefonischen Interviews (CATI-Befragung) erhoben werden. In einer quantitativen Befragung kann unter anderem herausgefunden werden, „wer“ „was“ zu „wieviel“ Prozent mag oder kennt.

Qualitative Befragung

Wenn man hingegen neue Erkenntnisse gewinnen möchte, also neue Informationen generieren oder Thesen und Theorien entwickeln möchte, dann sollte man auf eine qualitative Befragung zurückgreifen. Hierbei arbeitet man meistens mit kleineren Stichproben und ungebundenen Leitfragen, die dem Befragten ein offenes Antworten ermöglichen. Eine qualitative Befragung kann beispielsweise bei der Bewertung von Produkten oder Ideen genutzt und z. B. mittels einer Fokusgruppe erhoben werden. In einer qualitativen Befragung steht die Frage, „warum“ etwas gemocht, abgelehnt oder verurteilt wird, im Vordergrund.

1.000 Möglichkeiten der Umsetzung

Telefonische und Online-Befragungen

Für beide Ansätze gibt es eine Fülle an Möglichkeiten, wie sie im Feld umgesetzt werden können. Bei quantitativen Bevölkerungsbefragungen werden vor allem telefonische (CATI) oder Online-Befragungen genutzt. Durch beide Methoden werden große Gruppen an Personen erreicht, aber gleichzeitig kann eine Eingrenzung auf eine einzelne Zielgruppe (z. B. nur Frauen, nur Lehrer, nur Unternehmen) erfolgen. Bei der Wahl zwischen diesen beiden grundsätzlichen Erhebungsweisen müssen deren Vor- und Nachteile berücksichtigt werden. Während bei telefonischen Befragungen ältere Menschen leichter zu erreichen sind, werden Online-Umfragen eher von jungen Leuten ausgefüllt. Weiterhin kann eine Online-Befragung oftmals eine größere Anonymität suggerieren und ist dadurch eher für sensible Themen geeignet. Eine telefonische Befragung gibt eher die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen oder bei Verständnisschwierigkeiten Erläuterungen zuzulassen. Je nach Erkenntnisinteresse muss entschieden werden, welche Methode oder welche Kombination an Methoden sinnvoll erscheint. Während zum Beispiel Fragen nach Markenbekanntheit oder Verbraucherverhalten sowohl online als auch telefonisch problemlos erhoben werden können, ist zum Beispiel die Einbindung von Bild und Video nur bei einer Online-Befragung möglich.

Schriftliche Befragung

Neben einer CATI- oder einer Online-Befragung zählt auch eine schriftliche Befragung zu den quantitativen Erhebungsinstrumenten. Diese Methode wird in der Markt- und Meinungsforschung inzwischen seltener eingesetzt, da sie eine größere Vorlaufzeit benötigt und die Erhebungszeit (im Vergleich zur Online- oder Telefon-Befragung) relativ viel Zeit in Anspruch nimmt. Ähnlich wie die Online-Befragung vermittelt eine schriftliche Befragung den Eindruck größerer Anonymität, da kein Interviewer die Erhebung leitet. Schriftliche Befragungen eignen sich gut für Zielgruppen, die man telefonisch schwer erreichen kann (z. B. Lehrer und Schüler) und für interne Befragungen (z. B. Mitarbeiterbefragungen).

Fokusgruppen und Face-to-Face-Befragungen

Die drei vorgestellten Befragungsmethoden werden am häufigsten in quantitativen Erhebungen verwendet, da sich die meisten Kunden für quantifizierbare Ergebnisse interessieren. Sie können aber natürlich auch jederzeit für qualitative Erhebungen herangezogen werden. Für qualitative Befragungen werden allerdings häufiger Fokusgruppen oder Face-to-Face-Befragungen verwendet, weil solche Vorgehensweisen den Ansprüchen qualitativer Forschung besser entsprechen. Bei beiden Befragungen ist auch die Einbeziehung von Bild- und Videomaterial oder auch von realen Produkten möglich. Außerdem sind es die einzigen Befragungsformen, bei denen auch nonverbale Signale der Befragten in die Auswertung einbezogen werden können. Allerdings sind diese Methoden vor allem mit einem höheren Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Sie eignen sich aber dennoch sehr gut für qualitative Befragungen, da persönliche Ansichten und Meinungen freier und vielfältiger in die Auswertung einfließen. Sie sind vor allem für Produkttests, zum Beispiel für Lebensmittel in einem Supermarkt oder für Marketingzwecke, zum Beispiel das Testen von Slogans oder Plakaten, geeignet.

All diese verschiedenen methodischen Möglichkeiten entsprechend dem Erkenntnisinteresse miteinander zu kombinieren, verspricht den größtmöglichen Erfolg. So kann zum Beispiel eine quantitative, repräsentative Bevölkerungsbefragung über die Bekanntheit einer Marke oder eines Produktes mit einer qualitativen Fokusgruppe verbunden werden. In einer Fokusgruppe kann dann eine detaillierte Produktanalyse und -bewertung stattfinden, um vorher nur wenig berücksichtigte Aspekte zu vertiefen. Andersherum kann man zum Beispiel eine Online-Forendiskussion nutzen, um Ideen und Eindrücke zu einem Thema zu sammeln, die dann mithilfe einer quantitativen Befragung gemessen werden. Beispielsweise kann man Einstellungen, Wünsche und Vorstellungen zum Thema Arbeitszeitmodelle im kleinen Kreis abfragen, um dann in einem zweiten Schritt die breite Zustimmung zu oder Ablehnung der spannendsten Vorschläge in einer quantitativen, bevölkerungsrepräsentativen Befragung zu messen.

Der Königsweg

Das erklärte Ziel eines Marktforschers muss es immer sein, seinem Kunden mehr über dessen derzeitige und potenzielle Kunden sagen zu können. Man will herausfinden, wie die Menschen „ticken“. Dies kann nur durch ein durchgehend individuell gestaltetes Studiendesign für jeden Kunden erreicht werden, welches die volle Bandbreite verfügbarer Methoden berücksichtigt. Es ist für den Marktforscher essenziell, den Kunden auf dem gesamten Weg begleiten und gut informiert beraten zu können. Für das Erkenntnisinteresse müssen die richtigen Themenschwerpunkte ausgewählt und die Fragen entsprechend gestaltet werden. Außerdem muss genau abgegrenzt werden, welche Zielgruppe diese Fragen am besten beantworten kann. Die richtige Auswahl und Kombination der Erhebungsinstrumente, um diese Zielgruppe auch effektiv zu erreichen, runden den Prozess ab. Am Ende steht der projektbezogene Königsweg für den Kunden. Der Erfolg meines Kunden bei seinen Kunden ist der Maßstab meines Erfolgs als Marktforscher.

Die Stimmungsbilder und Momentaufnahmen der Bevölkerung legen also den Grundstein für vielfältige weitere Betrachtungen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es sich je nach Thema bei diesen Stimmungsbildern um Bauchgefühle der Menschen handelt. Bauchgefühle sind keine statistisch belastbaren Fakten, aber sie spiegeln gefühlte Wirklichkeit. Auch diese subjektiven Empfindungen müssen erkannt, betrachtet und in die Auswertung einbezogen werden, denn mit ihnen kann genauso zuverlässig gearbeitet werden. Aufgabe von Marktforschung muss es also sein, das aktuelle Stimmungsbild der Bevölkerung abzubilden.

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