Angesagt
Der Diemar Jung Zapfe-Blog

Der Köder muss nicht nur dem Fisch schmecken

Markenerfolg von Unternehmen wird zu zwei Dritteln durch mediale Kontakte geprägt und zu einem Drittel durch Mitarbeiterverhalten. Was das für die Customer Journey bedeutet, erläutert Matthias Freitag, Berater und Coach für agile Führungskultur.

Texter: Matthias Freitag

Die Customer Journey – ganzheitlich betrachtet

Die Idee der Customer Journey als Modell für Kaufentscheidungsprozesse war ein entscheidender Schritt, um die Motive von Kunden und Interessenten besser zu verstehen und darauf angemessen reagieren zu können.

Durch technische Entwicklungen und die Verfügbarkeit von Daten im Online-Marketing wurde es möglich, mehr über den Kaufentscheidungsprozess des Kunden zu erfahren als bisher, von seinem ersten Interesse bis zum Kauf. Darauf konnte mit Verbesserung der Entscheidungsunterstützung reagieren werden (personalisiertes Marketing, Prozessänderungen, Prozesserweiterungen, …). Aber wer will schon gern den mit hohem Einsatz gewonnenen Kunden bei nächster Gelegenheit wieder verlieren? Also wird die Customer Journey längst weitergedacht, über den Kaufentscheidungsprozess hinaus. So wird sie zum Kundenbegleitungsprozess.

Es ist zu beobachten, wie sich in vielen Branchen der Trend zu standardisierten Produkten einerseits und maßgeschneiderten Lösungen andererseits fortsetzt. Social Media beeinflussen die Meinungsbildung über Produkte, Dienstleistungen und Unternehmen. Die Entwicklung und Einführung von Produkten wird mittels Crowdfunding finanziert. Denkt man diese Entwicklung weiter, liegt der Schluss nahe, dass aus Kundenbegleitung an vielen Stellen Kundenbeteiligung wird. Damit erweitert sich die Customer Journey zum Kundeneinbindungsprozess. Fragen Sie Ihren Kunden, beziehen Sie ihn in den Entwurfsprozess mit ein! Je genauer Sie ihn kennen, je mehr er sich einbringt, desto erfolgreicher werden Sie sein.

Ein solches Vorgehen wirft als nächstes die Frage auf, welche Konsequenzen das für Unternehmen hat: von wo aus sie sich auf den Weg machen und wie die anstehende Entwicklung gelingen kann. Wenn das Konzept der Customer Journey die ganzheitliche Betrachtung und Begleitung des Kunden meint, so kann nicht ein Unternehmensbereich allein für sie zuständig sein. Marketing, Vertrieb, Öffentlichkeitsarbeit oder Kundenservice sollten den Prozess nicht für sich allein reklamieren – die Kraft entfaltet sich in der Integration. Klassische Hierarchie- und Abgrenzungsgedanken stören dabei. Das fällt leichter, wenn viele Mitarbeiter den unmittelbaren Marktzug spüren und Kundennähe erleben. Dieser Ansatz braucht und befördert einen Unternehmensentwicklungsprozess.

Wer das Versprechen einlöst: die Mitarbeiter

Damit die gemeinsame Reise beginnen kann und der Fisch sich – um im Bilde zu bleiben – auch für den Köder interessiert, muss die Fokussierung auf die Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden – und damit auf den Sinn, das große Ganze, für das es das Unternehmen gibt – spürbar sein.

Auf welcher der oben beschriebenen Customer Journey-Ebenen sich das Unternehmen auch immer befindet, eines ist sicher: Ob das Unternehmen hält, was die Marke verspricht, spürt man bei jedem Kontakt. Und immer dann, wenn Menschen der Kontaktpunkt sind, ist es an ihnen, das Versprechen einzulösen.

Mitarbeiter begegnen uns auf der Kundenreise als Service-Techniker, Verkäufer, Callcenter-Agents, Business Unit-Leiter, Sachbearbeiter, Vorstand… Meist ist es ein geschäftliches Anliegen, ein Kundenkontakt, der uns zusammenbringt. Und auch als Privatpersonen kennt jeder von uns Mitarbeiter bekannter Unternehmen und Marken. Ihr Auftreten, ihr Agieren, ihr Verhalten formt unser Bild der Marke. Denn hat uns das Markenversprechen erreicht und hat es sich, weil es gut ist, auch verankert, so gleichen wir ab. Sofort. Bewusst und unbewusst: Wie passt das Versprechen zu dem, was wir erleben?

Commitment macht den Unterschied

Markenwissen kann man lernen, die Aussage der Marke kognitiv erfassen und Fähigkeiten, im Sinne der Marke zu handeln, entwickeln. Den entscheidenden Unterschied macht das Commitment, das Bekenntnis zum Sinn und zu den Werten, für die das Unternehmen, die Marke steht. Denn es dringt mir aus jedem Knopfloch, wie ich dazu stehe.

Wann bin ich motiviert, mich zu entwickeln, zu engagieren und zu kooperieren? Wenn dabei meine persönlichen Bedürfnisse respektiert werden und ich einen Sinn in dem sehe, was ich tue. Ich lege mich ins Zeug, wenn mir das, was ich tue und wofür mein Unternehmen steht, wichtig ist und zu meinen Werten passt, wenn es sich lohnt – nicht nur kurzfristig monetär, sondern grundsätzlich. Und wenn ich weiß, worin mein Beitrag zum großen Ganzen besteht. Dann kann ich mir jederzeit die Antwort auf die Frage geben: „Welches Verhalten und Handeln entspricht dem Sinn und den Werten unseres Unternehmens – in dieser konkreten Situation und grundsätzlich?“

Führung – Haltung und Handwerk

Hier kommt Führung ins Spiel. Hand aufs Herz: Wie viel Aufmerksamkeit bekommt die Frage nach dem Sinn in Ihrem Unternehmen? In welchem Verhältnis steht der Aufwand, den die Führung hierfür investiert, zum Aufwand für Planung, Reporting, operative Steuerung usw.?

Führung braucht Motivation, Leistungsbereitschaft und Engagement nicht zu erzeugen. Sie sind da, wenn das Handeln sich auf etwas richtet, das den tiefen Sinn berührt, das aktiviert, wofür Energie einzusetzen als lohnenswert empfunden wird. Führung darf Eigeninitiative nicht nur fordern, sondern muss sie auch zulassen, Raum für Kreativität schaffen und Einsatz würdigen, auch unabhängig vom Ergebnis.

Aber wie soll das gehen angesichts von Marktdynamik, Kostendruck, Moving Targets und Komplexität? Traditionelle Führungsansätze scheinen darauf keine befriedigenden Antworten mehr zu liefern. Warum? Aus mentalen und aus handwerklichen Gründen.

Zunächst zu den mentalen: Ausschlaggebend dafür, wie gut es gelingt, gemeinsam mit Mitarbeitern den Weg zu gehen, der sie zu wirksamen Markenbotschaftern macht, ist das Menschenbild im Unternehmen und im Kopf der Führung.

Für alles menschliche Verhalten gibt es Gründe, die unter anderem in dem Kontext zu finden sind, in dem es auftritt. Zu diesem Kontext gehören auch wir, unsere Annahmen über Menschen und die Motive ihres Verhaltens und Handelns. Das beeinflusst unser Verhalten ihnen gegenüber, welches wiederum das Verhalten der anderen beeinflusst usw. Das bedeutet: unser Menschenbild, unsere Art, mit anderen umzugehen, bestimmt die Mentalität unserer Organisation und unserer Mitarbeiter.

Wer davon ausgeht, dass Menschen Arbeit nicht mögen, sie langweilig finden und sie nach Möglichkeit vermeiden werden, dass sie Anreize benötigen, damit sie sich einsetzen und engagieren, oder dass sie am liebsten angeleitet werden und die Übernahme von Verantwortung vermeiden, dessen Denken wird sein eigenes Verhalten beeinflussen – und er wird so selbst dafür sorgen, dass sich seine Sicht auf die Welt auch als richtig erweist.

Wer aber weiß, dass Menschen sich für ihre Arbeit interessieren wollen, dass sie ihnen unter den richtigen Bedingungen Spaß macht, dass sie in der Lage sind, sich selbst zu führen in Richtung auf ein Ziel, das sie akzeptieren, dass sie Verantwortung übernehmen wollen und unter den richtigen Bedingungen durch den Wunsch motiviert sind, ihr eigenes Potenzial zu entfalten – der wird entsprechend handeln und Effekte erreichen, die letztlich die Customer Journey beflügeln.

Werte moderner Führung

Gerade in Kontexten, die durch hohe Veränderungs- und Anpassungsdynamik gekennzeichnet sind, zeigen sich Sinn, Vertrauen und Verantwortung ganz klar als zentrale Werte der Zusammenarbeit und der Führung.

Wirksame Führung bezieht ihre Macht nicht aus formalen Befugnissen, sondern aus der Fähigkeit, Menschen für einen gemeinsamen Zweck zu gewinnen und zu verbinden. Das rückt Fähigkeiten in den Fokus, die für erfolgreiche Führung immer schon ausschlaggebend waren und oft als Sozialkompetenz etikettiert werden.

Und gleichzeitig geht es um handwerkliche Fertigkeiten, die den Umgang mit vielen parallelen Themen, wechselnden Prioritäten, konkurrierenden Zielen, interdisziplinären Fragestellungen usw. erleichtern. Sie werden oft mit dem Label „agil“ versehen, das einerseits schon reichlich abgenutzt ist und darüber hinaus viel Deutungsspielraum lässt. Verwechseln Sie nicht Agilität mit Aktionismus! Und die Erwartung, dass unreflektiert übernommene agile Prinzipien und Praktiken alle Probleme lösen, muss zwangsläufig zur Enttäuschung führen.

Mit Erfahrung und Augenmaß angewandt, helfen diese Ansätze aber, gemeinsam die oben genannten Anforderungen in den Griff zu bekommen, sich und das Unternehmen weiterzuentwickeln und die zentralen Werte zu leben.

Konkret werden

Es zeigen sich zwei Entwicklungspfade.

Begreifen wir Customer Journey ganzheitlich und kundenzentriert, so müssen interne Zuständigkeitsgeplänkel und hierarchische Einzelverantwortlichkeiten zurückgefahren werden. Künstliche Trennungen zwischen Bereichen sind kontraproduktiv und verwirren den Kunden am Ende nur. Werfen Sie nicht vier Angeln nach dem gleichen Fisch – wählen Sie gemeinsam die richtige, bestücken Sie sie lecker und ziehen Sie gemeinsam an ihr, wenn angebissen wurde.

Machen Sie Führung zum Erfolgsfaktor Ihrer Customer Journey!

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