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Der Diemar Jung Zapfe-Blog

Marken als Werttreiber im Mittelstand

Eine starke Marke ist ein entscheidender Hebel für den Unternehmenswert. Doch wie gelingt der Markenaufbau durch gezieltes Storytelling? Und welche Rolle spielen dabei Produktmarken?

Um eine Marke aufzubauen, benötigt man einiges an Ressourcen: Das spezielle Wissen, wie es geht. Personelle Kapazitäten. Geld. Und man braucht Geduld. Denn Markenaufbau und die Steigerung des Markenwertes sind eine Sache von Jahren, nicht von Monaten. Aber eine Marke ist ein lohnendes Investment – heute mehr denn je.

Markeninvestitionen rechnen sich langfristig

… und das nicht erst seit gestern. Im Anlagenotstand der Industrieländer beobachten wir die Inflation von wesentlichen Vermögenswerten. Die Flucht aus Geldwerten ist in vollem Gange, hinein in Sachwerte. Das sind zunächst Immobilien, seien es betriebliche oder private. Es ist selbstverständlich für viele auch die betriebliche Ausstattung, das Anlagevermögen. Doch es gibt noch eine weitere attraktive Möglichkeit. Wir behaupten: In vielen Branchen sollte es mehr als eine Überlegung wert sein, in die eigene Marke zu investieren. Sie ist zwar ein immaterielles Gut und damit nicht so einfach bilanzierbar wie eine Maschine. Aber sie wirft langfristig – und damit meine ich einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren – die höchste Rendite ab. Sofern der Markenaufbau gut gemacht wird.

Hinzu kommt: Wir haben im deutschen Mittelstand immer mehr UnternehmerInnen, die sich altersbedingt um die Nachfolgeregelung kümmern müssen. Und auch hier spielt die Markenstärke im Kopf des potenziellen Käufers, der potentiellen Käuferin, die entscheidende Rolle – vor allem, wenn es um die Frage geht, wie viel er oder sie für ein Unternehmen zu zahlen bereit ist.

Also: Nehmen wir das Thema Marke ernst. Denn es geht letztlich um den Wert des Unternehmens. Dabei sollten wir zum einen die Unternehmensmarke selbst mit den Mitteln der Markentechnik stärken und entwickeln. Zum anderen lohnt es sich, auch die Produktmarken im Unternehmen unter diesem Aspekt zu betrachten.

Produktqualität und Markterfolg sind zwei Paar Stiefel

Qualität setzt sich durch – das ist das Denkmuster des deutschen Technikers: die zwar verständliche, aber faktisch unbegründete Hoffnung, dass die technischen Features, die Leistung und sonstige Sachmerkmale des Produktes es schon richten mögen. Im Markt sieht das allerdings ganz anders aus. Jahrzehntelange Beobachtungen und Markt-Untersuchungen zeigen: Es besteht keine nennenswerte Korrelation zwischen dem Markterfolg eines Produkts und dem Erfolg des Produkts in Qualitätstests – ganz gleich, ob es sich dabei um Geschmackstests, Präzisionstests, Verlässlichkeitstests, Haltbarkeitstests oder ähnliche Tests mit unabhängigen und neutralen Testern handelt.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Produktqualität ist zwar wichtig und notwendig, aber nicht hinreichend. Erfolgreiche Produktmarken bauen nicht auf Qualität allein. Wer eine Rolex erwirbt, trägt das gute Stück sicherlich nicht, damit er in Zukunft pünktlicher ist. Wer eine Rolex kauft, will anderen damit zeigen, dass er es sich leisten kann, eine Rolex zu kaufen.

Produktmarke als Erfolgsturbo

Wenn es um die Geschichte der Marke Apple geht, erzählen viele gern, wie Steve Jobs & Co. mit nur geringem Startkapital von der Computerrampe abhoben

Viel interessanter finde ich in diesem Zusammenhang folgende Geschichte: In der Anfangsphase konkurrierten fünf PC-Modelle miteinander: Apple II, Commodore PET, Imsai 8080 mit Elster und Radio Shack TAS 80. Sie haben die Namen gelesen. Jetzt fragen Sie sich bitte selbst: Welches ist die prägnanteste Produktmarke? Ein Name, den man sich auf Anhieb merken kann?

Das Problem, sich einen Platz im Kopf seiner Zielgruppe zu verschaffen, ist ein ganz typisches Produktlaunch-Problem. Im Falle der Marke „Apple“ wurde es durch den unkomplizierten, assoziationsstarken und leicht zu merkenden Markennamen vereinfacht. Das allein schafft natürlich noch nicht den Erfolg. Es ist aber ein wichtiger Baustein, um eine erfolgreiche Marke aufzubauen. Die Apple-Konkurrenten hatten im Gegensatz dazu kompliziertere, zahlenlastige Namen, an die man sich nur deutlich schwerer erinnert.

Ein schwacher Produktname ist eine vergebene Marketingchance, die sich aus der in Deutschland weit verbreiteten, technologie-orientierten Denkweise ergibt. Das Ergebnis begegnet uns noch heute in jedem Verbraucher-Technikmarkt. Und von B-to-B-Märkten will ich gar nicht erst sprechen. Ein starker Produktname, der ein relevantes Produktversprechen formuliert, der zum Schlagwort im Kopf der Zielgruppe wird, ist also ein wesentlicher Hebel im Bereich des Produktmarketings. Also investieren Sie in Ihre Marken, und gerade im B-to-B-Bereich ist hier noch keine Blase zu erkennen.

Markenbekanntheit und Markenattraktivität

Es gibt letztlich eine Vielzahl von Kennzahlen, die man zur Markenbewertung heranziehen könnte. Dazu gehören: Markensympathie, Markenvertrauen, Markenloyalität, Markenimage und Markenempfehlung. Daneben gibt es Bewertungsmodelle wie Net Promoter Score (NPS), Top of Mind, First Choice und manches andere.

Diese Unübersichtlichkeit trägt dazu bei, dass manch kleinerer Mittelständler das Thema Marke lieber „den Großen“ überlässt mit ihren Marketingabteilungen und ihrer Marktforschung. Das muss nicht sein – schon deswegen nicht, weil man das gesamte Bewertungsthema eigentlich auf zwei Begriffe reduzieren kann: Die Markenbekanntheit und die Markenattraktivität.

Stellen Sie sich ein Diagramm vor: Die senkrechte Achse zeigt die Markenbekanntheit, auf der waagerechten kann man die Markenattraktivität ablesen. Es ergeben sich vier Quadranten:

Matrix Markenbekanntheit und Markenattraktivität

In welchem Feld bewegt sich Ihre Marke? Das „Nietenfeld“ ist natürlich das Feld links unten – geringe Markenbekanntheit und geringe Markenattraktivität. Und das Zielfeld befindet sich ganz klar rechts oben: hohe Markenbekanntheit und hohe Markenattraktivität.

Marke macht Marge

Je höher die Markenbekanntheit und je höher die Markenattraktivität sind, desto wertvoller ist die Marke – und desto mehr wird sie auch kurzfristig zu positiven Ergebnissen bei „harten“ Kennzahlen wie Absatz und Marktanteil beitragen. Ist Ihre Marke in Ihren Zielgruppen bekannt und attraktiv, werden Sie eine hohe Wiederkaufrate haben. Es werden Ihnen Up-Selling- und Cross-Selling-Umsätze gelingen. Um es auf den Punkt zu bringen: Marke macht Marge.

Nun hören wir immer wieder mal beim Bier von dem einen oder anderen Unternehmer, der sagt: Ach, ich will gar nicht wachsen, es wird immer schwerer, Mitarbeiter zu finden. Oder: Ich will meine Wege verkürzen, ich brauche kein Wachstum, ich bin zufrieden, und deswegen ist mir das Thema Marke egal.

Diese Überlegungen lassen außer Betracht, dass – selbst wenn das Unternehmensziel lediglich darin besteht, den Umsatz zu halten – das Konstrukt Marke auch hierfür ausgesprochen wertvoll ist. Denn die stärkere Marke kann im Markt höhere Preise erzielen. Im Klartext: Wer über eine bekannte und attraktive Marke verfügt, kann mit weniger Aufwand die gleichen Ergebnisse erreichen.

Was ist für einen Mittelständler leichter zu erreichen: eine hohe Markenbekanntheit oder eine hohe Markenattraktivität? Sagen wir es so: Eine hohe Markenbekanntheit kann man nur in einzelnen Glücksfällen ohne finanzielle Investition erreichen. Hohe Markenattraktivität hingegen kann man heute – entsprechende Produktqualität vorausgesetzt – ziemlich sicher erzielen, wenn man über das entsprechende Wissen verfügt, die richtigen Leute an Bord hat und die richtigen – in diesem Fall vor allem digitale – Kanäle nutzt. Etwas Geduld braucht man allerdings auch dann noch.

Um im Markt attraktiv zu sein, brauche ich eine klare Idee meiner Marke, eine eindeutige Positionierung, an der sich auch die Gestaltung und alle Botschaften orientieren. Die hohe Kunst besteht also darin, eine Essenz, eine Markenidee so zu definieren, dass sie für die Zielgruppe ein einheitliches, für sie interessantes Markenerlebnis schaffen kann. Diese Idee umfasst zwangsläufig mehr als rein formale oder inhaltliche Aspekte.

Markenmehrwert statt Qualitätsdifferenz

Andere nutzen hierfür den Begriff des ideellen oder sogar spirituellen Mehrwerts einer Marke. Denn heutzutage lassen sich Produkte in fast allen Märkten nicht mehr über ihre technisch-sachliche Produktqualität verkaufen. Die erwarten die Kunden mittlerweile sowieso. Sie gehen einfach davon aus, dass alle Produkte technisch auf hohem Niveau sind und dass der Service der Anbieter stimmt.

Die Kunden haben zudem in den meisten Märkten die Erwartung, dass es zu jedem Produkt Konkurrenzprodukte gibt, die ähnlich teuer und qualitativ etwa gleichwertig sind. Und wenn diese Kunden nun den Markt betreten, ist meistens eines klar: Die möglicherweise vorhandene sachlich-technische Produktdifferenz, die es noch geben mag – sie spielt für die Kaufentscheidung keine entscheidende Rolle.

Markendifferenzierung durch Werte

Eine attraktive Marke hebt sich von ihren Wettbewerbern ab. Marketing ist daher sozusagen die Kunst des sinnvollen Unterschiedes. Allerdings versuchen viele mittelständische Unternehmen nach wie vor, diesen „sinnvollen Unterschied“ ausschließlich auf der Ebene der Produktqualität herbeizuführen. Sie lassen dabei leider außer acht, dass es andere Bereiche gibt, in denen man sich diesen Unterschied viel wirkungsvoller und wirtschaftlicher erarbeiten kann.

Das einfache Beispiel Produktname hatte ich bereits angeführt. Um im Folgenden mit dem deutschen Medien- und Kommunikationstheoretiker, Norbert Bolz, zu sprechen: Letztlich geht es um Markendifferenzierung auf der Ebene der Ideen, auf der Ebene der Werte, das heißt – wenn Sie so wollen – auf einer spirituellen Ebene.

Lassen Sie es uns etwas bescheidener formulieren und den Begriff emotionaler oder sozialer Mehrwert der Marke verwenden. Das heißt, Sie können – und das gilt eben auch im B-to-B-Bereich – Produkte erfolgreicher bewerben und verkaufen, wenn es Ihnen gelingt, mit Ihrem konkreten technischen Produkt einen stimmigen emotionalen Mehrwert, pathetisch gesagt: gleichzeitig eine Gedankenwelt zu verkaufen. Im Idealfall können Sie Ihr Produkt quasi als Eintrittsticket in eine eigene Welt, eine Lebensphilosophie oder gern auch eine technische Philosophie verkaufen.

Produkt-Lebenswelten entwickeln

Die meisten kennen die Geschichte von Harley-Davidson. Die Motorräder dieser Marke waren jahrelang ein echtes Kultprodukt, das „Easy Rider“-Prinzip die Lebensphilosophie dieser Zeit. Danach gab es einen gewaltigen Einbruch, die Firma war so gut wie bankrott – intensive Markenarbeit musste geleistet werden. Doch die trug Früchte – und führte die Marke aufgrund ihrer hohen Attraktivität für einen Teil der Zielgruppe (so etwas geht ja nie für den Gesamtmarkt) in Windeseile wieder an die Spitze führen. Das war umso erstaunlicher, weil Leute, die von Motorrädern Ahnung haben, uns mehrfach bestätigten, dass es für weniger Geld nun wirklich bessere Motorräder gibt, etwa von BMW. Aber das macht die Sache ja nur klarer und prägnanter. Harley-Davidson fasste den Markenrelaunch-Erfolg wie folgt zusammen:

„Wir haben aufgehört, Motorräder zu verkaufen. Wir verkaufen jetzt nur noch eine Lebensphilosophie, und gratis gibt es ein Motorrad dazu.“

Harley-Davidson

Nun sind wir nicht im Motorradmarkt, und viele von uns sind noch dazu hauptsächlich in B-to-B-Märkten unterwegs. Dennoch: Es funktioniert hier ähnlich. Der immer wieder beschworene Unterschied zwischen dem professionellen Einkäufer oder Geschäftspartner und dem privaten Menschen und Käufer – den gibt es nicht. Das ist ein falscher Glaubenssatz aus dem B-to-B-Vertrieb. Das heißt: Mit einigen Abstrichen können wir alle von der Harley-Geschichte lernen.

Wie baut man einen emotionalen oder sozialen Zusatznutzen für den Kunden auf, eben diesen spirituellen Mehrwert? Jedenfalls nicht mit den knochentrockenen technischen Produktinformationen, die wir immer wieder sehen. Manche Unternehmen halten offensichtlich ihre emotionskastrierten Broschüren und Websites für besonders seriös und wundern sich, warum ihnen damit die Aktivierung ihrer Zielgruppe nicht gelingt. Der Königsweg ist, eine gute Geschichte zu erzählen.

Storytelling mach Markenwert fühlbar

Um eine Marke effektiv aufzubauen, sollte man Storys lancieren und die Markengeschichte erzählen. Für welche Ausgangssituationen eignen sich Geschichten im Marketing ganz besonders? Es sind drei:

  1. Zum einen für relativ unbekannte Marken – das haben wir bereits erörtert.
  2. Zum anderen für Marken, die bei ihren Botschaften mit Widerspruch rechnen müssen.
  3. Zum dritten für Marken, die mit irgendeinem Handicap behaftet sind.

Aber auch hier: Die meisten unserer Marktbegleiter im deutschen Mittelstand verzichten aus Unkenntnis oder absichtlich auf den Aufmerksamkeitsvorsprung, den sie mit Hilfe von Geschichten erzielen können. Sie glauben offensichtlich, Geschichten seien etwas für Kinder, den privaten Bereich oder das Gespräch in kleiner Runde, aber im Marketing seien sie unseriös.

Dies ist eines der nützlichsten Vorurteile für alle, die mit einem cleveren Marketing an ihren Mitbewerbern vorbeiziehen wollen. Warum ist das so? Weil man fast alles von dem, was ich heute angeführt habe, am besten mit einer starken Geschichte erreichen kann. Wenn Sie eine gute Geschichte zu erzählen haben, sind Sie beinahe immun gegen Kritik.

Man kann gegen alle formulierten Ideen, gegen jedes präsentierte Produkt und vor allen Dingen gegen alle reklamierten Werte Reserven und Widerstände entwickeln. Man kann sie kritisieren, auch wenn man es vielleicht nicht öffentlich tut. Das ist aber bei guten Geschichten nicht so leicht. Gut erzählte Storys kann man nicht negieren. Das haben gute Geschichten mit den vorhin angesprochenen Schlüsselbildern gemeinsam. Key Visuals kann man ebenfalls nicht negieren.

Es gilt fast immer: Bei einem erfolgreichen Produkt ist in der Marke eine gute Story komprimiert – die Marke transportiert diese Story sozusagen „in der Nussschale“, wie man im englischsprachigen Raum sagt. Und diese Story transportiert den sozialen, emotionalen oder spirituellen Mehrwert der Marke. Eine Story muss nicht immer lang sein, sie wird in manchen Kanälen sicherlich ausführlicher erzählt und in anderen in zwei Sätzen oder sogar in einem Satz kommuniziert.

Wir erleben doch Folgendes: Die Mehrheit der Technologieunternehmen in Deutschland erklärt ihren Kunden immer noch seitenlang alle positiven Eigenschaften ihrer Produkte mit Daten, Zahlen und Fakten. Das hört sich dann so traurig an wie bei dem Unternehmen, das den ersten MP3-Player mit Festplatte auf den Markt brachte:

„Hier unser MP3-Player mit der leistungsstarken 5-Gigabyte-Festplatte“.

Und nun das Gegenbeispiel: Der inzwischen ja schon fast legendäre Steve Jobs präsentierte 14 Monate später den ersten iPod mit den Worten: „One thousand Songs in your Pocket“. Beim ersten Beispiel die technische Produktbeschreibung, die klassische Absenderdenke. Beim zweiten Beispiel eine auf den Punkt gebrachte Produkt-Nutzen-Story mit ganz anderem Blickwinkel, nämlich vom Nutzer ausgedacht.

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