Angesagt
Der Diemar Jung Zapfe-Blog

5 überraschende Fakten über Gebärdensprache

Angela Merkel hat eine eigene Gebärde? Ja, und jetzt raten Sie mal, wie die anfangs aussah. Kleiner Tipp: Es ist nicht die Raute. Die Auflösung und mehr Fakten über Gebärdensprache finden Sie hier.

Was haben Angela Merkel, Harry Potter und Christiano Ronaldo gemeinsam? Zaubertricks meinen Sie? Ja, möglicherweise auch die. Was wir mit Sicherheit sagen können: Alle drei haben kreative Namens-Gebärden, die dank der haarscharfen Beobachtungsgabe der Gehörlosen-Community auch uns ein Schmunzeln aufs Gesicht zaubern. Wir lösen das gleich auf.

Zunächst zu einem Thema, das uns 2021 beschäftigt hat: Wussten Sie, wie viele Menschen in Deutschland gehörlos sind? Etwa 80.000 Deutsche nehmen die Welt primär über ihren Sehsinn wahr. Wie einfallsreich, visuell begabt und aufmerksam Gehörlose mit Sprache umgehen, hat uns tief beeindruckt.

#1 Namens-Gebärden sind hochgradig kreativ.

Gehörlose haben eine persönliche Namensgebärde. Diese ist meist bildlich und bezieht sich auf besondere äußerliche oder charakterliche Merkmale der Person, wie z.B. die Frisur, die Gesichtsform oder ein spezielles Hobby. Auch Politiker und Promis haben eine eigene Gebärde. Ein bekanntes Beispiel: Angela Merkel. Die im Volksmund bekannten „Merkel-Falten“ finden sich auch Merkels Namensgebärde wieder. Weil das aber zugegeben wenig charmant ist, bürgerte sich eine weitere, neutralere Gebärde ein. Sie leitet sich vom Nachnamen der Ex-Bundeskanzlerin ab – Merkel wie „merken“.

Angela Merkel in Gebärdensprache

Übrigens: Harry Potter glänzt in der Gebärdensprache natürlich mit seinem Blitz. Und Christiano Ronaldo? Der ist nicht mit seinem Schallmauer durchbrechenden Schuss ins Vokabular eingezogen, sondern mit seinem funkelnden Ohrring.

#2 Gebärdensprachen sind alles andere als dialektfrei.

Weltweit gibt es 137 Gebärdensprachen. Hinzukommen zahlreiche Dialekte. Entgegen der häufigen Annahme ist Gebärdensprache also nicht international. Sie entsteht „eigenständig im jeweiligen Sprachraum“. Grundsätzlich gilt: Die Grammatik ist deutschlandweit gleich, nur die Gebärden können sich je nach Region unterscheiden. Ähnlich wie das Lautsprachen-Wort „Brötchen“, das je nach Sprachraum Semmel, Schrippe oder Weckle genannt wird.

#3 Eine Sprache ohne Versprecher? Falsch!

So wie man sich in der Lautsprache gern mal verhaspelt gibt es auch sogenannte „Vergebärdler“ als Pendant zum Versprecher. Sogar akademische Arbeitsgruppen befassen sich mit solchen sprachlichen Missgeschicken. Das Ergebnis einer Studie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main zeigt: Die deutsche Gebärdensprache ist viel komplexer aufgebaut als die deutsche Lautsprache. Mit einer einzigen „Vergebärde“ können bis zu neun Informationen gleichzeitig vermittelt werden. „Von der Struktur erinnert das mehr an ein Mischsystem aus spanischer und chinesischer Lautsprache“, so Professorin Helen Leuninger. „Wie bei Versprechern handelt es sich meist um einen Formfehler.“ Das heißt: Während man in der Lautsprache gern Wechselstaben verbuchselt, kommt es in der Gebärdensprache zu Unstimmigkeiten bei der Handform, der Handstellung, der Bewegung und/oder dem Ausführungsort der Gebärde.

#4 Gebärdensprachen sind mehr als Gesten mit den Händen.

Es stimmt: Handformen und -bewegungen sind ein wichtiger Teil der Gebärdensprachen. Mindestens genauso wichtig sind aber Gesichtsausdrücke, die Körperhaltung und lautlos gesprochene Wörter. Denn mehr noch als in der Lautsprache drücken Gehörlose Gefühle über Mimik und Körpersprache aus. Auch interessant: Rund ein Drittel der Gebärden sind ikonisch, d.h. die Bedeutung der Wörter ist bildlich abgeleitet, so wird z.B. das Wort „Baby“ als wiegende Bewegung mit den Armen dargestellt. Doch Achtung! Nicht jede Gebärde ist für Uneingeweihte so leicht zu entschlüsseln. Gebärden sind überwiegend abstrakt und müssen wie Vokabeln gelernt werden. Wenn man mit ihrer Bedeutung vertraut ist, kann man in manchen Fällen die Eselsbrücke erkennen. Ähnlich wie am Namens-Beispiel von Frau Merkel. Ergänzt wird die Gebärdensprache durch das Fingeralphabet. Hier gibt es für jeden Buchstaben ein Handzeichen. Das Fingeralphabet nutzen Gehörlose zum Beispiel, um Wörter zu betonen oder um Begriffe zu buchstabieren, für die es noch keine Gebärde gibt.

Fingeralphabet

#5 Theater, Literatur und Kunst in der Gehörlosenkultur

Sprache und Kultur gehören zusammen wie Wham! und Weihnachten. Das ist bei Gebärdensprachen nicht anders. Auch Gehörlose haben eine eigene Kultur entwickelt (und in der findet sogar Wham! ihren Platz). Denn Gehörlose erleben Musik durchaus. Eben anders. Sie hören mit dem ganzen Körper, etwa indem sie einen starken Bass spüren. Und auch die Lyrics gewinnen an Bedeutung. Klar, dass es dann auch ganze Autorenwettbewerbe in Gebärdensprachenpoesie gibt. Neben der Musik und Poesie prägt auch das Theater die Gehörlosenkultur. Hierbei geht es um Inszenierungen von, mit und für Gehörlose. Um diese Kunst früh zu fördern, macht der Thüringer Verein BILING e.V. gehörlose Kinder mit der Schauspielerei vertraut. Die Kinder üben mit Theaterpädagogen und Dolmetscherinnen, wie sie Gefühle von Glück über Trauer bis hin zu Wut auf die Bühne bringen. Das Tolle daran: An den Theater-Workshops nehmen sowohl hörgeschädigte als auch hörende Kinder teil. Angebote wie diese setzen ein klares Zeichen. Denn, ob hörend oder nicht, feststeht: das Vertrauen in die eigene Ausdrucksfähigkeit stärkt den Charakter – unabhängig der Form, der man sich dafür bedient.

Kommunikation ist ein Geschenk.

Ob mit Lauten, Worten oder Gesten – Kommunikation gehört zum Mensch-Sein wie die Luft zum Atmen. Deshalb unterstützen wir dieses Jahr diejenigen, die Barrieren abbauen und das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Hörbehinderung fördern. Unsere Weihnachtsspende geht an BILING e.V. – einen Verein für bilinguale Bildung in Deutscher Gebärdensprache und Deutscher Lautsprache. BILING e.V. setzt sich für bessere Bildungsangebote für gehörlose Kinder ein. Hinzukommt: Mit Veranstaltungen wie Theater-Workshops oder Sommercamps baut der Verein Brücken zwischen gehörlosen und hörenden Kindern. Da bleibt uns nur zu sagen: Inklusion at its best!

Wir wünschen besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2022!

Quellen:

Aktion Mensch (o.A.): Welche rPromi ist das? #gebärdensprache. Auf: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=YBJ2Gilh1fU (abgerufen 08.12.2021).

Busch, Constanze (2019): Mit den Händen, dem Gesicht und dem ganzen Körper sprechen. Für: Landschaftsverband Westfalen-Lippe, URL: https://www.inklusives-arbeitsleben.lwl.org/glossar_gebaerdensprache/ (abgerufen 08.12.2021).

Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. (o.A.): Gehörlosigkeit. URL: https://www.gehoerlosen-bund.de/faq/geh%C3%B6rlosigkeit (abgerufen 08.12.2021).

Fritsche, Olaf (2001): Vergebärdler: Lautlose Versprecher. Für: spektrum.de, URL: https://www.spektrum.de/magazin/vergebaerdler-lautlose-versprecher/828018 (abgerufen 08.12.201).

Süddeutsche Zeitung (2019): Gebärdensprache erklärt – wie funktioniert die Sprache mit den Händen?, Auf: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=9gk41Egj7Is (aufgerufen am 08.12.2021).

yomma (o.A.): Gehörlosenkultur. URL: https://www.yomma.de/glossar/gehoerlosenkultur/ (abgerufen am 08.12.2021).

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